Vom 07. bis 09. November ist es wieder so weit: die Passion Messe öffnet in der MesseHalle in Hamburg-Schnelsen seine Pforten. Wir wollten mehr über die Messe erfahren, in der unser kürzlicher Interviewgast Matthias von Schlagzeilen.com seine Abschiedperformance gibt.
Wer die Passion nicht kennt: Es handelt sich um den Treffpunkt der europäischen BDSM- und Fetisch-Szene. Unser Interviewpartner ist Michael von Enzberg.

Die Passion ist weit mehr als nur eine Messe – sie gilt als Erlebniswelt rund um Erotik, Mode und Kunst. Wie würdest du die Passion in deinen eigenen Worten beschreiben?
Das Konzept der Passion ist klar: Herzstück ist die Messe. Die Messehallen in Hamburg-Schnelsen sind ausgebucht; wir müssen mit einer Warteliste arbeiten. Mit der Vielzahl an Ausstellern und damit Produkten und Kreationen bietet die Passion ein in Europa einzigartiges Einkaufserlebnis für die BDSM- und Fetisch-Szene.
Damit sich aber auch eine weitere Anreise lohnt, legen wir Wert darauf, dass die Passion mehr ist als eine Messe. Es gibt in diesem Jahr die Rekordzahl von 37 Workshops. Es gibt drei Partys & Events am Abend. Und es gibt an allen drei Messetagen Bühnenshows auf zwei Bühnen.

Auf der Passion kann man sich mit Gleichgesinnten treffen und austauschen, die Besucher können ihre Leidenschaften leben und ein lustvolles Wochenende in Hamburg genießen.
Was unterscheidet die Passion deiner Meinung nach von anderen Erotikmessen in Deutschland oder Europa?
Unser Ziel ist eine Atmosphäre auf der Messe, die geprägt ist von Toleranz, Offenheit und einem sehr respektvollen Miteinander. Das haben wir auch erreicht.
Unsere größte Besucherzielgruppe sind Paare; bei den herkömmlichen Erotik-Messen sind es in der Regel Männer, die die Messe alleine besuchen. Wir haben mal die Bestellungen im Vorverkauf ausgewertet und konnten sehen, dass wir mehr Messetickets an Solo-Frauen verkauft haben als an Solo-Männer. Die Messe soll einen geschützten Rahmen bieten - mit Fotoverbot, mit einem respektvollen Umgang; bei dummer Anmache muss der Besucher die Messe verlassen.
Es ist auch diese besondere Atmosphäre auf der Messe, die sie für Besucher anziehend macht. Wir haben auch keine Porno-Stars auf der Bühne. Die Passion unterscheidet sich also deutlich von den Porno-Messen der Vergangenheit. Und welche andere Messe bietet 37 Workshops für die unterschiedlichsten erotischen Leidenschaften? Die Passion ist eine Erotikmesse mit Anspruch - dies gilt für die Atmosphäre genauso wie für das vielfältige Programmangebot.
Wie hat sich die Messe seit ihren Anfängen entwickelt – in Bezug auf Publikum, Aussteller und gesellschaftliche Wahrnehmung?
Die Szenen ändern sich - und mit den Szenen auch die Passion. Die Passion sprach von Anfang an die BDSM- und Fetisch-Szene mit ihren traditionellen Schwerpunkten an. Es gab und gibt neuere Entwicklungen, wie z.B. ein wachsenden Intereresse an Pet-Play in der Fetisch-Szene. Wir greifen diese Entwicklungen auf und versuchen sie abzubilden und zu integrieren. Veränderungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Messe können wir nur schwer bewerten.
Verschiebungen in der Wahrnehmung der Gesellschaft gibt es z.B. bei Latex - die Vorliebe für die ‘zweite Haut’ wurde lange Zeit als Fetisch gesehen. In der Zwischenzeit sind Latex-Outfits in der Gesellschaft und im Alltagsleben angekommen, sie wurden ‘gesellschaftsfähig’. Ich denke, insgesamt hat eine gewisse vorurteilsfreie Neugier zugenommen und die durch starke Vorurteile geprägte Ablehnung abgenommen.

Auf der Passion finden Besucher*innen extravagante Outfits aus Lack, Latex und Leder. Welche Rolle spielen Design und Mode in der BDSM-Kultur?
Für viele Messebesucher spielt Mode eine zentrale Rolle. Man will sich in Szene setzen, will seine erotischen Vorlieben, seine Fantasien, seinen Lifestyle auch durch sein Outfit leben und nach außen zeigen. Man möchte sexy oder verführerisch wirken. Man will sich selbst gefallen, um anderen zu gefallen.
Für Clubbesuche und für Partys zum Beispiel spielen Mode und Design eine herausragende Rolle. Aber auch bei Sexspielzeugen kann es von Bedeutung sein, dass beste Qualität und Funktionalität und ein tolles Design zusammenkommen. Wenn ein Toy schon durch sein Design anregt und Fantasien freilegt, kann das die Stimmung prägen und Einfluss auf das haben, was danach wie abläuft.
Viele Aussteller fertigen handgemachte, exklusive Stücke. Wie wichtig sind Individualität und Maßarbeit in dieser Szene?
Für die Wirkung von erotischen Outfits spielt Maßarbeit eine herausragende Rolle. Je figurbetonender ein Korsett ist, desto stärker wirkt es. Je besser die Passform, desto aufregender kann Latex sein. Und maßgefertigte Overknees sind ein ganz besonderer Hingucker. Wir sind stolz, dass die Passion in der Zwischenzeit in Deutschland und´wohl auch in Europa die größte Messe ist, was exklusive, in Handarbeit angefertigte Kreationen für die Fetisch-Szene angeht.
Aber auch für SM’er spielt Handarbeit - ich verwende gerne den Ausdruck Handwerkskunst - eine große Rolle. Wer Unikate sucht, ist auf der Passion bestens aufgehoben.
Gibt es in diesem Jahr besondere Designer, Labels oder Kollektionen, auf die sich Besucher besonders freuen dürfen?
Wir möchten keine Designer oder Labels besonders hervorheben. Auch hier gilt: Die Geschmäcker sind verschieden - entscheidend ist die Auswahl. Je größer die Auswahl, desto mehr Möglichkeiten hat man, genau das zu finden, was dem persönlichen Geschmack am besten entspricht.
Wer sich im Vorfeld informieren möchte, sollte sich auf der Website den Hallenplan (https://www.passion-messe.com/de/hallenplan) und die Ausstellerliste (https://www.passion-messe.com/de/ausstellerliste) anschauen. Er kann sich so einen Fahrplan für seinen Messebesuch erstellen.

Neben Mode präsentiert die Messe auch BDSM-Toys und Möbel. Wie hat sich der Markt hier in den letzten Jahren verändert?
In Museen kann man spannende BDSM-Toys und -Möbel schon aus dem MIttelalter erleben. Beides hat eine lange Tradition. Bei Möbeln ist neben der Qualität und Funktionalität in unserer Zeit wichtig, wie sie in eine Wohnung passen. Für manchen ist es z.B. interessant, wenn BDSM-Möbel ‘schwiegermuttertauglich’ - also Verwandlungskünstler - sind, die auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennbar sind.
Bei Toys ist es wichtig, herauszufinden, was für Dom und Sub optimal ist. Wie liegt - um ein Beispiel herauszugreifen - ein Flogger in der Hand? Wie ist seine Wirkung? Eine Messe mit großer Auswahl ist eine ideale Gelegenheit, das herauszufinden.

Für viele ist BDSM noch Neuland. Wie sorgt ihr auf der Messe dafür, dass auch Einsteiger*innen sicher und respektvoll an das Thema herangeführt werden?
Ich hatte schon die besondere Atmosphäre auf der Passion erwähnt, die ganz wichtig ist, dass sich Einsteiger*innen wohlfühlen. Es gibt Workshops, die sich speziell an Einsteiger*innen wenden.
Besonders wichtig: Der überwiegende Teil der Aussteller kommt aus der Szene, ist in ihr verwurzelt und hat ein großes Interesse, dass Einsteiger*innen behutsam an das Thema herangeführt werden.
Und die jüngeren Messebesucher haben mit der SMJG e.V., der als Aussteller dabei ist, einen Ansprechpartner. Die SMJG ist ein gemeinnütziger Verein, welcher deutschlandweit Jugendarbeit in den Bereichen BDSM und Sexualaufklärung leistet.
Ein besonderes Highlight der Passion sind die Bühnen-Performances und Workshops. Welche Programmpunkte sollten Besucher*innen auf keinen Fall verpassen?
Wir möchten mit den Bühnenperformances und den Workshops Vielfalt sicherstellen. Ob Bondage-Performance, ob BDSM-Show, ob Catfight oder Modeshow - jeder dürfte auch 2025 auf der Passion eine Bühnenshow finden, die er besonders spannend findet. Auf der Website findet sich eine Übersicht (https://www.passion-messe.com/de/buehnenshows).
Für die Workshops gilt dasselbe (https://www.passion-messe.com/de/workshops). Wichtig ist uns die Authentizität der Akteure, die auf der Bühne mitwirken oder die Workshops gestalten. Sie sollen keine Show abziehen, sondern live das erlebbar machen, was BDSM für sie ausmacht und beinhaltet. Der Messebesucher kann oft echte Gefühle miterleben.
Welche Rolle spielen Kunst und Fotografie für die Szene? Ist das für dich auch eine Form von Ausdruck oder Selbstermächtigung?
Wir versuchen, mit unseren Messen auch Fotografen und Künstlern eine Plattform zu bieten und sie zu unterstützen. Wichtig ist, dass sie über die erzielte Aufmerksamkeit hinaus auch auf einer Messe verkaufen können. Das erfordert viel Ausdauer und Hartnäckigkeit.
BDSM ist in der Öffentlichkeit oft noch mit Klischees behaftet. Wie möchtest du mit der Passion dazu beitragen, Vorurteile abzubauen?
Die Besucher der Passion kommen in erster Linie aus der Szene. Oder es sind offene und neugierige Einsteiger, die dabei sind, ihre Neigungen herauszufinden. Mit einer solchen Messe wirkt man nur sehr begrenzt in eine breitere Öffentlichkeit. Manchmal im Kleinen.
Ein Beispiel: Einer der Caterer auf einer unserer Messen hatte seine überwiegend weiblichen Servicekräfte versucht, mit Tipps und Verhaltens-Ratschlägen auf ein Sodom und Gomorrha einzustimmen. Nach der Messe hörten wir von ihm wie von seinen Mitarbeitern: Sie hätten noch nie eine Messe erlebt, in der so respektvoll mit ihnen umgegangen wurde, auf der es so gut wie keine dummen Anmach-Sprüche gegeben habe. Da wurden durch das persönliche Erleben alle Vorurteile widerlegt.
Wenn du einem neugierigen, aber unerfahrenen Besucher oder einer Besucherin einen Rat geben könntest – welcher wäre das?
Die Scheu überwinden und z.B. einen BDSM-Stammtisch besuchen - oder eben die Passion. Der respektvolle Umgang auf der Passion gilt auch gegenüber Einsteigern. Unsicherheit oder fehlende Erfahrung nicht verstecken, authentisch bleiben. Jeder hat einmal angefangen und seine Leidenschaften nach und nach entdeckt.
Die Messe bietet z.B. die Möglichkeit, bei Ausstellern Schlagwerkzeuge in die Hand zu nehmen und sie zu testen. Bei den Ausstellern ist viel Herzblut dabei. Man kann auf der Passion herausfinden, was regt einen an, was könnte mein persönlicher Einstieg in die Welt des BDSM sein? Und man kann in den Live-Sessions auf der Bühne zum Beispiel erleben, um welche starken, intensiven Gefühle es geht; es kann eine spannende Erfahrung sein, wie man darauf reagiert.
Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Diskreter Versand